Das Leben in Farbe. Ich bin Synästhetin. Ich empfinde es als Gen-Glück: Worte und Sätze – gehörte wie gedachte – laufen wie Obertitel in der Oper als Schriftband in meinem Kopf. Jede Ziffer und jeder Vokal hat eine andere Farbe – immer dieselbe, als Kind schon. Die Konsonanten sind anthrazit, jede Silbe ist eingefärbt in der Farbe des Vokals.
Ich liebe dieses Farbensehen. Ich kann mir Zahlen und Namen gut merken, weil es ja Farbkombis sind. Und es ist viel mehr: Das Leben ist immer auch farbig, im wahrsten und im übertragenen Sinne. Meine Synästhesie füttert mein Lebensgrundgefühl, wenn es mal wackelt: Das Graue bleibt nicht grau, es wird farbig!
(Wer´s wissen will – 4 % in Deutschland haben die genetische Besonderheit Synästhesie: Zwei Bereiche im Gehirn sind dauerhaft verkoppelt, so das zwei verschiedene Wahrnehmungen immer gleichzeitig passieren. Bei manchen Menschen sind Formen mit bestimmten Geschmacksrichtungen verknüpft, oder Gerüche mit bestimmten Tönen. …150 verschiedene Sinneskombinationen sind bekannt.)
Maike Lauther-Pohl
Heiliges Treibgut 